bookmark_borderErschlagen

64 Tage bis Weihnachten

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Erschlagen.
Es war eigentlich nur Dekoration. Das große rote Paket, das am Kaufhaus Holler an der Fassage hin – auf Höhe des zweiten Obergeschosses (Damenbekleidung, Babybekleidung und Spielwaren). Es war Teil eines ganze Arrangements. Fünf Pakete hingen dort oben, daneben ein großer, leuchtender Weihnachtsmann, der die Pakete aus seinem, ebenfalls leuchtenden Sack schüttete. Oder vielmehr: es sollte so aussehen als schüttete er sie. In Wirklichkeit wurden sie natürlich nicht geschüttet, wie waren an der Fassade montiert.
Das rote Paket war das größte. Es hatte eine orangene Schleife. Alle Pakete waren mit Seilen und Ösen an den entsprechenden, eigens für die jahreszeitliche Dekoration, in der Gebäudewand eingelassenen Haken befestigt. Rund um das Jahr hingen hier Geschenke, Masken, Ostereier, Blumen, überdimensionale Sonnenhüte, Herbstlaub und Kürbisse – oder eben die Geschenke.
Bisher war immer alles gut gegangen. Bis zu diesem zweiten Samstag im Dezember. Am Tag vorher hatte es geschneit. Und es war bitterkalt. Der Schnee blieb auf den Geschenken liegen, oder vielmehr: vor allem auf dem roten. Die meisten Geschenke waren so angebracht, dass die Seiten des Geschenkes einen steilen Winkel bildeten, auf dem Schnee und Eis hinunterrutschen konnte. Das rote Geschenk hing jedoch so gerade ausgerichtet, dass der Schnee guten Halt fand.
Mit der Zeit war der Schnee feucht und damit schwer geworden. Und irgendwann wurde der Druck auf einen der Haken in der Fassage so stark, dass er sich lockerte – aber noch hielt. Das Geschenk war etwas nach unten gesackt, aber fiel nicht. Die Sache wäre also noch gut geganten, hätte nicht Herr Dreuser, Teamleiter in der Sport- und Herrenbekleidungsabteilung im ersten Stock in wiederholter Nichtbeachtung der Dienstanweisung, seine Raucherpause auf der Feuertreppe verbringen wollen, die im ersten Stock ganz in der Nähe des roten Paketes verläuft.
Herr Dreuser also tritt auf die Treppe, zündet sich ein Zigarettchen an und wird des verrutschten Geschenkes gewahr. In einem zwei gut gemeinten, aber unbedachten und natürlich völlig aussichtslosen Versuch, beugt er sich etwas über die Brüstung der Feuertreppe, greift zum Geschenk und will es geraderücken. Dabei verliert er den Halt, greift panisch in das rote Geschenkpapier des Geschenkes um Halt zu finden. Das ist zuviel für das GEschenk, bzw. den Haken. Er reißt aus der Wand. Gerade in dem Moment als HErr Dreuser am Geländer der Feuertreppe doch noch ein klein wenig Halt findet. Er fällt also nicht. Dafür das Geschenk, denn der verbleibende Haken kann das Gewicht des Geschenkes auch nicht mehr halten.
Das Geschenk saust nach unten und begräbt die 23-jähre Zahnarzthelferin Corinna T. unter sich. Corinna liegt leblos am Boden, leblos. Doch nach kurzer Zeit hört man sie wimmern. Dann wird das Geschenk zur Seite gedrückt, Corinna steht auf und schaut sich um. Sie schwankt etwas, scheint jedoch keine größeren Verletzungen zu haben. Sie schaut das Geschenk an, das nun neben ihr liegt, greift das orangene Band und schleift das Geschenk nach hause.

Suchworte: revenge + christmas
Zeit: 17:53

bookmark_borderDer Weihnachtsschrauber

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Noch 75 Tage bis Weihnachten


Da flog er nun endlich. Fast so hoch wie die höchsten Kerzen schraubte sich der Hubschrauber in die zimtgeschwängerte Weihnachtswohnzimmerluft. Christian hatte ja bis zum Schluss nicht mehr daran geglaubt, den Hubschrauber doch noch zu bekommen. Es war sein größter Wunsch gewesen. Aber seine Mutter hatte immer gesagt: „Ich weiß nicht, ob das Christkind einen solchen Hubschrauber besorgen kann.“. Da war Christian immer ganz traurig geworden. Alle anderen Geschenke konnten ihm gestohlen bleiben – er wollte NUR diesen einen Hubschrauber. Sven hatte auch so einen und was Sven hatte, musste Christian einfach auch haben. Sonst ärgerte Sven ihn immer. Jeden Tag dieses „Ich habe was was du nicht hast.“-Gemaule von Sven war Christian wirklich leid.
Doch jetzt hatte er den Hubschrauber. Und auch noch so einen schönen. Der konnte sicherlich viel besser und höher fliegen als der von Sven. Und länger war er auch – also die Rotorblätter waren zumindest größer, da war sich Christian sicher.

Und dabei hatte er wirklich nicht mehr daran geglaubt. Die ersten Geschenke, die er unter dem Weihnachtsbaum auspackte waren wirklich eine Enttäuschung gewesen: Ein paar rote Socken und ein Schlafanzug mit den Minions drauf. Ok, die Minions fand er schon ziemlich cool. Aber er wollte doch den Hubschrauber.
Als er schon dachte, er hätte alle Geschenke ausgepackt, sagte seine Mutter: „Schau mal Christian, da ist noch ein Packerl.“ Christian bekam leuchtende Augen, rannte zu dem Paket hin, riss Schleife und Papier auf – und da war er, sein Weihnachtsschrauber.

Den ganzen Abend spielte er noch mit dem Hubschrauber. Und am ersten Weihnachtsfeiertag. Und am zweiten Weihnachtsfeiertag.
Dann musste er wieder zur Arbeit. Als Sven nach der Morgenbesprechung bei Christian im Büro vorbeikam, stand auf Christians Tisch, neben dem Telefon, der Weihnachtsschrauber. „Na?“ fragte Christian. „Auch schöne Weihnachten gehabt?“ Sven stand der Mund offen. Das hatte er von seinem Chef nicht erwartet. Dass er jetzt auch einen Hubschrauber hatte. Der musste einfach in allem besser sein. Morgen würde Sven kündigen.

Suchworte: artist + christmas

Zeit: 8 Minuten, 36 Sekunden

bookmark_borderCrash

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Es war der 24. Dezember. Und er war spät dran. Er hatte noch gearbeitet. So wie die letzten Wochen an den meisten Tagen. Doch jetzt war eindlich Heiligabend. Er hatte sich freigenommen. Wenigstens an diesem Tag. Von 17 Uhr bis zum nächsten morgen um 10 wollte er nicht arbeiten. Jetzt war es aber schon 17:23. Er war eben spät dran.
Aber er brauchte noch ein Geschenk. Was war denn Weihnachten ohne ein Geschenk. Also ein richtiges Geschenk. Er hatte schon diesen Gutschein für einen gemütlichen Abend mit viel Zeit zu zweit vorbereitet. Also von einer Vorlage ausgedruckt. Aber das war ja kein wirklich richtiges Geschenk. Kein wertvolles. Also noch schnell zum Juwelier in der Karlstraße. Bis 18 Uhr hat der auf am 24., stand auf der Website. Und jetzt schon 17:24. Berechnete Ankunftszeit bei aktueller Verkehrslage 18:07. Er drückte noch mehr aufs Gas. Das Licht der Scheinwerfer spiegelte sich auf der Straße, auf der der Schneefall des Vormittags – schon wieder halb geschmolzen – immernoch herumlag.
Er fuhr vom Ring ab, ganz in Gedanken was er denn wohl noch kaufen könnte. Auf der Abbiegespur staute es sich. Er sah es noch, bremste, aber rutschte. Die Straße war zu glatt. Es war 17:27 als sein Auto hinten auf den Kleinlaster auffuhr. Ein Geschenk brauchte er nun nicht mehr.

Suchworte: Crash + christmas

Zeit: ca. 12 Minuten.

bookmark_borderIm Walde

 

Da lag er nun. Tot. Wie hatte es nur soweit kommen können?

Es hatte alles ganz süß und knuffig angefangen. Im Tierheim in der Austraße war er abgegeben worden. Seine Besitzer konnten ihn nicht mitnehmen als sie in eine neue Stadt zogen – und sie hatten auch niemanden gefunden, der ihn haben wollte. Also Tierheim.

Das kam Anna ganz recht. Oder eigentlich ihren Eltern, die kurz vor Weihnachten ein Geschenk für ihr Töchterchen suchten und deren Wunsch nachgeben wollten, ihr endlich einen Hund zu kaufen.

Und wie süß der aussah, mit seinem roten Fell und der spitzen Nase, den kurzen Beinchen und dem langen Schwanz. Der sollte es sein. Der wäre perfekt für Anna. Also bekam Finn ein neues Frauchen.

Bei der Weihnachtsbescherung saß er brav in einer Hunde-Transportbox unter dem Weihnachtsbaum. An der Box, die eine rotes Unterteil und ein hellgraues Oberteil hatte, war eine silbrige Schleife angebracht.

Als Anna ihn sah, schrie sie vor Freude, machte die Box auf und nahm ihn in den Arm. So richtig wollte Finn aber nicht in den Arm genommen werden. Er wehrte sich, kratzte und schnappte. Kreischend ließ Anna ihn los. So hatte sie sich das nicht vorgestellt mit einem Knuddelhund.

Und Anna sollte recht behalten mit ihrem ersten Eindruck. Finn war kein Knuddelhund. Man musste der Tatsache ins Auge sehen: Dieser Hund war ein kleiner, fieser, nicht-kuscheliger, wild keifender Köter. Alles andere als das was Anna sich gewünscht hatte.

Und so war es auch nicht verwunderlich, sondern vielleicht sogar mehr als verständlich, dass Anna schon am Tag vor Silvester, nachdem sie es sechs Tage mit dem kleinen Biest ausgehalten hatte, eines nachmittags die Terrassentür aufließ und Finn diese Gelegenheit wie geplant nutzte um den Garten zu erkunden. Und die große Wiese hinter dem Haus. Und die angrenzende Straße. Und den Wald, der sich anschloss. Er schien den Schnee der die Landschaft in dieser Winterwoche bedeckte zu mögen und so lief und sprang er fröhlich umher.

Eine Stunde später war er tot. Erschossen. Ein Jäger hatte ihn für einen Fuchs gehalten. Anna war das jedoch egal. Sie zuckte zwar kurz, als sie es erfuhr. Aber dann war sie doch froh, dieses unfreundliche Weihnachtsgeschenk los zu sein, nahm wieder ihr Buch in die Hand und las weiter.

8 Minuten 49 Sekunden.

bookmark_borderZitrone

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Es war die Zeit als die Winter noch lang und kalt, die Luft noch frisch und klar und das Essen eher knapp und ärmlich war. Da war ein Mann, den alle nur „Ole“ nannten, der in unserem Dorf ab und an auftauchte um dies und das zu verkaufen. Niemand wusste wo er herkam, niemand wusste, wie er wirklich hier. Wir nannten ihn nur „Ole“. „Da kommt Ole!“ riefen wir Kinder immer fröhlich, wenn einer von uns ihn entdeckt hatte, wie er mit dem großen Leinenen Sack auf dem Rücken über die Rosenhügel kam, der sich an unser Dort in Richtung Stadt anschloss. Er kam immer über den Hügel, obwohl die Straße oder besser gesagt der Weg zur Stadt anders verlief.
In dem Sack den er stets auf dem Rücken trug, hatte er alles, was man brauchen konnte um zu jener Zeit das Leben ein wenig lebenswerter zu machen: wohlriechende Seife, besonders robuste Zündhölzer, Messer, Geräucherte Wurst, Karottensamen, Blechautos, Handbesen, Tinte, Silberlöffel, Hüte, machmal ein lebendiges Huhn, Lippenstift, Emailletassen und und und. Man wusste nie was er beim nächsten Mal dabei haben würde. Wenn einem etwas gefiel tat man gut daran, es direkt zu kaufen, denn Ole brachte ganz selten Dinge zweimal mit.
Nun war es tatsächlich einmal einer dieser langen und kalten Winter, als Ole wieder ins Dorf kam, die Nase blau, die Finger nur mit ein paar löchrigen Handschuhen bedeckt und auch schon vor Kälte blassrot angelaufen, stiefelte er den Rosenhügel hinunter durch den tiefen Schnee. Zumindest an Tagen wie diesen könnte er doch wenigstens mal die Straße nehmen. Aber dann wäre es nicht Ole gewesen. Es war vier Tage vor Weihnachten und Ole sah mit seinem zotteligen braun-grauen Bart und der Mütze fast aus als wäre er ein winterlicher Waldgeist.
Sein Sack war dieses mal erstaunlich leer. Als er bei uns in der Stube saß – meine Mutter hatte ihm eine warme Milch und einen Platz auf unserer Küchenbank, ganz an am Herd, angeboten, schüttete er aus was er noch im Sack hatte. Eine Zwiebel, eine Packung Zündhölzer, einen Tannenzapfen, eine einzelne Silbergabel – und eine Zitrone.
„Na, das ist ja nicht mehr viel, Ole.“ scherzte meine Mutter, während Sie ihm die Tasse mit Milch reichte.
„Das letzte was ich habe.“, sagte Ole. Aber das muss ich alles noch verkaufen, sonst ist mein Weihnachtsfest verloren.“ sagte Ole mit traurigem Gesicht. Er war normalerweise ein fröhlicher Mensch, der gerne lachte. Aber wenn er einmal traurig war, dann war er richtig traurig. Aber so wie an jenem Tag, hatte ich ihn noch nicht erlebt. Irgendetwas schien ihm auf der Seele zu liegen. Auch meine Mutter nahm wahr, dass es Ole ein ernstes Anliegen war, seine Waren noch unter die Leute zu bringen. Und da wir vor ein paar Tagen eine Gans verkauft und noch etwas Geld davon aufgehoben hatten, drückte meine Mutter Ole jetzt einen Teil des Geldes in die Hand uns sagte: „Ich kaufe alles. Hab ein schönes Weihnachten, Ole.“ Oles Augen strahlten. Er war jetzt von einer ganz neuen Energie erfüllt, trank seine Milch aus. Verabschiedete sich freundlich, aber mit einer seltsamen Langsamkeit die seine Abschieds-Gesten begleitete und verschwand aus der Tür, hinaus in den kalten Schnee.
Vier Tage später kochte meine Mutter ein herrlichen Weihnachtsgericht aus den Lebensmitteln ihres Ole-Einkaufs: Huhn mit Zwiebeln und Zitrone. Es schmeckte vorzüglich. Wir saßen in der Stube und meine Mutter erzählte der anwesenden Familie, wie sie an die Zitrone gekommen war – die in diesen Zeiten etwas wirklich exotisches ware, das es fast nicht gab. Wir freuten uns an der Geschichte und ich dachte an Ole.
Als der lange Winter, der sogar für die Zeiten damals ungewöhnlich kalt war, vorbei war und es Frühjahr wurde, wartete ich ungeduldig auf Ole um ihm zu berichten wie köstlich die Zitrone zu dem Weihnachtsbraten geschmeckt hatte.
Es wurde März, April und Mai. Aber Ole kam nicht. Auch im Sommer nicht. Und auch als es Winter wurde, blieb der Schnee auf dem Rosenhügel unberührt.
Am Tag vor Weihnachten ging ich mit Lisa zum Schlittenfahren auf den Hügel. Als wir auf der Kuppe standen sagte Lisa „Schau mal.“ An einem niedrigen Ast einer Tanne hin ein Leinensack. Aber Ole blieb verschwunden.

Zeit: 22 Minuten, 46 Sekunden
Suchworte (freepik): crisps + christmas.

bookmark_borderDas Geschenk

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Es war noch September. Die Tage waren aber schon mal winterlich kalt, auch wenn die Sonne noch strahlte. Lisa war gerade auf dem Weg von de rSchule nach hause, als sie am Laden von Frau Kramer vorbeifuhr. Frau Kramer war eine alte Bekannte von Lisas Mutter. Sie führte in der Stadt einen kleinen LAden für Blumen und Geschenkartikel. Als Lisas Blick zufällig in die Auslage des Geschäftes schweifte sah sie es. Ein rotes Feuerwehrauto. Lisa hier an. Das Auto hatte sie beeindruckt. Sie wusste nicht warum. Es war ein Feuerwehrauto. Nur ein Feuerwehrauto. Aus Blech. Mit zwei Blaulichern und einer grellgelben Leiter auf dem Dach. Lisa stieg ab. Schob ihr Fahrrad vor das Ladenfenster und betrachtete das Auto. Eine geradezu magische Anziehungskraft ging von ihm aus. Bilder schossen durch Lisas Kopf, dazu Gerüche, Geräusche und Gefühle: Schneeflocken, Tannennadeln, Zimt, Freude, Überraschung, Knistern von Kamin und Papier. Lisa wusste: dieses Feuerwehrauto gehörte unter einen Weihnachtsbaum. Sonst nirgendwo hin.

Als Lisa mit dem Paket wieder aus dem LAden kam, war sie von Glück durchströmt. Frau Kramer hatte das Auto in das schönste Geschenkpapier eingepackt, mit einer großen Schleife drumherum. Das würde prächtig aussehen unter dem Weihnachtsbaum im Schein der Kerzen. Das Feuerwehrauto wäre dann endlich dort, wo es hingehört.

Als Lisa den Baum nach draußen gestellt hatte, die Nadeln zusammengefegt und die Lichterkette eingerollt hatte, nahm sie das Paket in die Hände. Sie strich mit ihren Fingern über das ausgeblichene Geschenkpapier, griff mit ihren zittrigen Händen die Enden des Geschenkbandes, zog leicht daran. Dann hielt sie inne, betrachtete das Paket. Sie nahm es in die Hand, schloss kurz die Augen, dachte an das leuchtende Rot und das die grellgelbe Leiter.
Dann nahm sie das Paket udn legte es zu der Lichterketten und Christbaumkugeln in die Kiste.
So wie in all den Jahren zuvor.

Suchworte: bicycle + christmas
Zeit: 17 Minuten, 21 Sekunden

bookmark_borderKaffee mit Zimt

Noch 95 Tage bis Weihnachten

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„Kaffee mit Zimt!“ sagte Jan auf meine etwas platte Frage was er denn dort trinke, „Und das schmeckt?“ fragte ich weiter. „Ja klar. Für mich gehört das seit zwei Jahren einfach zum Advent dazu: morgens einen schönen Kaffee mit Sahne und Zimt.“ erklärte Jan. Ok, ich wollte es versuchen. Und ich muss sagen, es schmeckte gar nicht mal so schlecht.  Und dann erzählte Jan mir, wie er zu dieser Angewohnheit kam. Vor zwei Jahren – da war ich noch nicht sein Mitbewohner – hatte er wohl eines Abends etwas zuviel getrunken. Keinen Kaffee, sondern Vodka. Auf einer Party, wie man das in Studentenkreisen wohl ab und zu tut. Nun ja, die Party war wenigstens gut gewesen, ein rauschendes Fest könnte man sagen. Doch am nächsten Tag rauschte dafür Jans Kopf immernoch. Dazu kam, dass er nicht in seinem Bett, nicht in seiner Wohnung aufwachte. Das soll vorkommen. Insgesamt waren sie zu viert an diesem morgen: Jan, eine von ihm nicht namentlich erwähnte aber als „durchschnittliche Schönheit“ bezeichnete Frau – und ihre zwei Kater. Als beide mehr recht als schlecht aus dem Bett geklettert und sich ihrer Situation bewusst geworden waren, begann ein wohl heiteres Wehklagen ob der jeweils zu spürenden Alkoholnachwehen und gegenseitiger Beteuerungen, dass das so nicht hatte enden  sollen. Wohlgemerkt bezogen sie dies auf die letztendliche Alkoholmenge. Die anschließende nach bereuten sie, wenngleich oder gerade wegen gewisser Ermangelungen der Erinnerung, wohl einvernehmlich nicht. Wie dem auch sei, versuchten Sie danach die Kater mit Hausmitteln zu bekämpfen. Aber nichts half schnell genug. Dann jedoch half der Zufall. Die ganze Geschichte spielt sich im Advent ab. Und die wie gesagt anscheinend durchschnittliche Schönheit hatte tags zuvor Weihnachtsplätzchen gebacken, war dann jedoch hals über kopf zur Party aufgebrochen und so lag in der Küche noch allerlei Backzutatenzeug herum. Und als nun Jan, immer noch etwas benebelt nach einem Kaffeelöffel griff, erwischte er eine umherliegende Zimtstange. Nicht willens oder nicht fähig diese gegen einen Löffel zu tauschen, rührte er damit kräftig in seinem Kaffee, trank danach und verspürte einen eigenartigen aber leckeren Zimtgeschmack im Kaffee. Und außerdem verschwanden kurz darauf seine Kopfschmerzen – so meint er sich zumindest gefühlt zu haben. Ein Katermittel war gefunden.
„Und jetzt trinkst du das aus Profilaxe gegen Kater oder was?“ fragte ich.
„Nein,“ sagte Jan, „mir schmeckt es einfach. Und außerdem weckt der Geschmack Erinnerungen – zwar nur durchschnittliche schöne, aber ganz besondere.“
Danach stellte ich keine weiteren Fragen mehr.“

Suchworte: cup + christmas
Zeit: 16 Minuten, 19 Sekunden

bookmark_borderWünsche

96 Tage bis Weihnachten

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Wünsche

Ihre Eltern glaubten nicht an Santa Claus. Sie glaubten an wenige Dinge. Sie gehörten zu den Menschen, die ihren Kindern lieber die Wahrheit sagten, auch wenn sie damit Träume zerstörten oder Ihnen glänzende Kinderaugen entgingen. So war es auch bei Weihnachten. Klar, sie feierten das Fest. Das gehörte ja dazu. Aber sie sparten sich diesen ganzen Märchenquatsch mit Santa Claus, Christkindchen und sonstigem Weihnachtsspuk. Die Geschenke, die unter dem Weihnachtsbaum lagen wurden von Mama und Papa gekauft, die Kinder durften auspacken und sich freuen. Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Danach ging man mehr oder weniger zur Tagesordnung über. Es wurde noch etwas feines gekocht und gegessen und sobald die Weihnachtsfeiertage vorbei waren, wurden die Christbaumkugeln wieder eingepackt, die Nadeln auf dem Wohnzimmerboden sorgsam zusammengefegt und der Weihnachtsbaum entsorgt. Endlich vorbei der ganze Spuk.
Für Emma aber nicht. Emma liebte Weihnachten. Sie liebte sowieso den Winter. Den Schnee, die Kälte, die klare Luft. Und ihren grünen Schal, den sie nur im Winter tragen konnte. Und wie gesagt, sie liebte Weihnachten. Sie war glücklich wenn Sie den Weihnachtsbaum in all seiner Pracht strahlen sah. Und überhaupt diese ganze Stimmung im Advent – in der Stadt und auf den Straßen. Dieses Leuchten und Duften, dieses fröhlich verzückte der Menschen. Das bezauberte sie.
Und die Idee bezauberte sie, dass es da jemanden gab, der den größten Zauber des ganzen Festes organisierte: Santa. Zu all ihren Freundinnen und Freunde im Kindergarten kam der Santa Claus. ER brachte dort die Geschenke – sie wurden nicht einfach von den Eltern gekauft und eingepackt.
Wie neidisch war sie auf Sue und Thomas, die im letzten Jahr erzählt hatten, wie sie nachts ihre Wohnzimmerdielen von Santas Stiefeln hatte knarzen hören. Und was für tolle Geschenke Santa gebracht hatte: Einen Raketenbausatz für Thomas und ein ferngesteuertes Auto für Sue. So etwas wollte sie auch haben. Aber ihre Eltern kauften ihr als Weihnachtsgeschenk nur langweilige Sachen. Ein Buch oder einen neuen Schlafanzug oder so etwas.
Aber dieses Jahr sollte es anders werden. Seit diesem Jahr konnte Emma ein wenig schreiben. Und mit der Schere umgehen. Und so hatte sie heimlich am ersten Adventssonntag als Mama und Papa noch schliefen einen Wunschzettel gebastelt – einen heimlichen für Santa! Mit der Schere hatte sie auf einem Spielzeugkatalog alles ausgeschnitten was sie sich wünschte: Ein echtes Kinderfernglas, ein Spielzeugtaxi, das Prinzessinnenhaus von Lego und – ihr größter Wunsch – genauso ein ferngesteuertes Auto wie das von Sue. Aber in blau.
Auf den Umschlag schrieb sie „Santa“ – das hatte sie von einer Weihnachtskarte abgeschrieben.
Dann zog sie sich Emma an. Ihre Stiefel, ihren Mantel, ihre Mütze, ihren grünen Schal, ihre Handschuhe. Leise öffnete sie die Haustür. Draußen schneite es. Sie lief die Straße hinab, am Schuladen und dem Frisör vorbei, links um die Ecke. Und da stand er. Der Briefkasten. Mit zitternden Händen nahm sie den Umschlag, musste sich auf die Zehenspitzen stellen damit sie den Briefschlitz erreichte.
Und dann warf sie den Wunschzettel ein.

Suchworte: lettebox + christmas

Zeit: 17:04

bookmark_borderKugeln

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Es bestand aus 10 Kugeln, dieses Set. 10 glitzernde Christbaumkugeln in grün, rot und einem silbrigen Gold – jede unterschiedlich verziert.
Er zog die Handschuhe aus als er sich in die Pappschachtel zurücklegte in der er sie bekommen hatte. „Schöne Stücke“, dachte Karl, „ich kann mir vorstellen, dass sie einen guten Preis bringen.“ Er klebte noch den grünen Zettel mit der Nummer 78 an die Kisten und legte sie zu den anderen Auktionaten auf den Rollwagen.
Am nächsten Tag war der Andrang mäßig. Es war Anfang September, die Sonne schien noch warm und die meisten Leuten hatten heute mehr Lust auf ein Eis am Marktplatz – und nicht auf eine Auktion in Karls recht dunkler Auktionshalle. Aber etwa 20 Menschen hatten auf den alten Lederstühlen platzgenommen.
Die Auktion verlief dementsprechend ruhig aber mäßig. Die meisten der Auktionate brachten weniger als Karl erhofft hatte. Ledigliche das hölzerne Spielzeugauto erzielte mit 120 Euro einen Spitzenpreis, der dreimal so hoch war wie die Summe die Karl geschätzt hatte.
Die Nummer 77, eine kleine goldene Puppe mit schwarzen Haaren ließ sich nur schleppend versteigern. Sie kunsthistorisch interessant – das wusste aber heute niemand hier zu schätzen – aber sie war einfach so hässlich, dass Karl es niemandem übel nahm, nicht mitzubieten. Als sein Hammer das dritte Mal auf den Tisch knallte stand das letzte Gebot bei 53 Euro.
Jetzt waren die Christbaumkugeln an der Reihe. Karl startete mit 20 Euro. Ein alter Herr in schwarzem Sakko in der vorletzten Reihe hob gleichgültig die Hand. Karl blickte in die Runde. Niemand regte sich. Weihnachten war noch so weit weg. Karl wartete, zählte bis 30 wie er es immer tat und setzte dann an: „Zum Ersten“, nochmal zählen, bis 5, „Zum Zweiten“, … 1… 2.. da ein Knarzen …3 … 4… „25! 25 Euro!“ rief eine Stimme. Karl sah auf. Durch die Tür war gerade in diesem Moment eine junge Frau getreten, helle Schuhe, rotes Kleid. Karl freute sich, dass es ein neues Gebot gab. „30!“ rief jetzt der Mann der das erste Gebot abgeben hatte und ein wenig ärgerlich schaute. „50“ erhöhte die junge Frau. Karl, der es sonst nicht mochte, wenn die Bieter miteinander kommunizierten statt ihn ihre Handzeichen kommentieren zu lassen, ließ sie gewähren. Hier ging irgendetwas Seltsames vor. Und tatsächlich entbrannte ein harter Bieterstreit – bis die Kugeln schlussendlich für 345 Euro an die junge Frau gingen.
Als Karl eine Stunde später die Kugeln ein letztes Mal in die Hand nahm um sie der Frau auszuhändigen, fragte er: „Warum geben sie so viel Geld für ein paar alte verstaubte Christbaumkugeln aus?“ „Nun,“ antwortete die Frau und lachte verlegen, „ich mag Weihnachten. Vor allem im September. Und diese Kugeln sind etwas Besonderes. Das spüre ich einfach.“
Sie nahm die Schachtel mit den Kugeln und ging. Erst als die Tür hinter ihr zugefallen war merkte Karl, dass die Frau eine der Kugeln vergessen hatte. Die einzige, die nicht wirklich kugelförmig war, sondern unten spitz zulief. „Tja“, dachte Karl, „vielleicht mag ja auch ich Weihnachten im September.“, sprach es und hängte die Kugel an seine alte silberne Schreibtischlampe.

Suchwörter: judge + christmas

Zeit: 18 Minuten