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„Ho ho Ho! Einmal volltanken, bitte!“, sagte ich als ich aus meinem Wagen ausgestiegen war.
Es war als Scherz gedacht gewesen, denn dort stand, neben Zapfsäule 3, der Weihnachtsmann. Zunächst hatte ich gedacht, er sei einfach einer der tausendfach verkleideten Weihnachtsmanndarsteller, die in dieser Zeit in der ganzen Stadt herumliefen und nur zufällig an der Tankstelle gestrandet. Umso erstauner war ich aber, als der Weihnachtsmann tatsächlich zur Zapfpistole griff, nochmal frage: „Voll?“, und auf mein überraschtes Nicken hin, die Zapfsäule in die Tanköffnung steckte und meinen Mercedes volltankte.
Als er fertig war, zog er die Zapfpistole wieder heraus, hängte sie an die Säule und lächelte mir zu.
Ich ging in den Tankstellenshop, bezahlte das Benzin und eine SportBild, die ich immer beim Tanken hier kaufe, ging zurück zum Auto und öffnete die Tür. Die Zeitschrift werfe ich gewöhnlich schon beim Öffnen der Tür auf den Beifahrersitz. So auch diesmal. Aber seltsamerweise landete sie auf dem FAHRERsitz, nicht auf dem Beifahrersitz. Denn dort saß – der Weihnachtsmann. Und wieder lächelte er mich an. Und dieses Lächeln war von so einer Echtheit und Wärme umgeben, dass ich in diesem Moment nicht anders konnte als zu glauben, das sei der echte Weihnachtsmann. Aber im nächsten Moment holte mich mein Verstand wieder ein. Das konnte nicht sein. Den Weihnachtsmann gibt es doch gar nicht. „Was willst du?“ fragte ich also den Fremden, der dort augenscheinlich in einem rot-weißen Weihnachtskostüm auf meinem Ledersitz saß. „Willst du Geld? Ich hab keins dabei – nur Karten.“, sagte ich weiter.
„Ich brauche dein Auto.“, sagte der Mann. „Mein Schlitten ist kaputt. Kufe gebrochen. Irgendwie muss ich die Geschenke doch noch verteilen.“
Es war Weihnachten, ich musste eigentlich schon längst zu hause bei Verena und den Kindern sein. Ich war genervt von diesem Typen, der sich einfach in mein Auto schleicht. Naja, wenigstens hat er getankt, dachte ich. Vielleicht fahr ich ihn zu Polizei – die können ihm sicherlich helfen, was auch immer sein Problem ist.
Ich startete also den Motor, sagte „Ok, Weihnachtsmann, anschnallen!“ Und fuhr los. Es war schon dunkel, außerdem ein feuchter, diesiger Tag gewesen. Die Straßen waren nass, die Luft voll mit dieser Diesigkeit. Der Weihnachtsmann sagte nichts. Die Sicht war schlecht. Ich hatte Mühe mich zu orientieren, alles nervte mich. Ich wolte nur noch diesen Idioten loswerden und dann nach hause an den Weihnachtsbaum.
Mein Beifahrer schien meine Nervosität zu merken, schaute mich an, dann wieder nach vorne, dann wieder zu mir und wieder nach vorne. Dann lächelte er mich wieder an und sah mir dabei tief in die Augen – zumindest einen kleinen Moment lang, den ich nicht auf die Straße schaute. Als ich meinen Blick wieder nach vorne richtete, sah ich einen Schein auf meiner Motorhaube. Der Mercedesstern leutete rot und erhellte so die diesige Straße. Ich rieb mir mit der rechten Hand beide Augen, sah den Weihnachtsmann an. Dann viel mein Blick in den Rückspiegel. Der Fond meines Wagens und der ganze Kofferaum war voll mit bunten Geschenken.

Suchworte: tank + christmas
Zeit: 16 Minuten, 55 Sekunden